Wenn sich ein Kapitel schließt, dann öffnet sich ein neues. Seit ein paar Wochen bin ich nun wieder in Deutschland. Meine letzen Wochen in Südafrika habe ich damit verbracht, nochmal meine Lieblingsorte in Joburg zu besuchen, die Zeit mit den Menschen dort zu genießen und nebenbei für einen Aufnahmetest an der Uni Salzburg zu lernen.
Nach meiner letzten großen Reise erkrankte die Lehrerin, mit der ich das Jahr zusammen gearbeitet hatte, und auf Grund von Personalmangel wurde ich gefragt, ob ich die Klasse für zwei Wochen übernehmen würde. Mit dem Hintergedanken, dass die Kinder ansonsten in die übrigen Klassen mit Kindern auf anderem Lernlevel verbringen würden, sie so vermutlich kaum etwas lernen würden und ich zwei Wochen von den sechs, die mir noch blieben, weniger Zeit mit ihnen haben würde, entschied ich mich dazu die Aufgabe anzunehmen. Es war eine Herausforderung. Ich kannte die Kinder gut und ich war bereits etwa 11 Monate mit im Unterricht als Lehrperson gewesen, doch studierte Lehrerin bin ich trotzdem nicht. Die Lehrerin hatte mir ihre Unterlagen zur Verfügung gestellt und die Stunden waren von ihr weitestgehend vorbereitet, doch es lag an mir, den neuen Stoff den Kindern verständlich zu übermitteln. Als zusätzliche Herausforderung kam hinzu, dass wir nach den Ferien den Zahlenraum von 100 auf 1000 erhöhen sollten und da manche der Kinder schon vor den Ferien mit dem Zahlenraum bis 100 zu kämpfen hatten, war es eine etwas schwierigere Aufgabe. Trotzdem bin ich stolz behaupten zu können, dass die Kinder und ich die zwei Wochen gut überbrückt haben und alle etwas gelernt haben.
Umso näher meine Heimreise rückte, umso gemischter waren meine Gefühle. Auf der einen Seite freute ich mich unglaublich auf mein Zuhause in Deutschland, meine Familie und meine Freunde, doch auf der anderen Seite konnte und wollte ich mir nicht vorstellen, die Kinder, die Leute und mein Leben in Südafrika, das mein zweites Zuhause geworden war, zurück lassen zu müssen.
Nun bin ich also wieder in Deutschland und möchte behaupten langsam wieder angekommen zu sein. Trotzdem: Mir fallen ständig Dinge auf, die in Südafrika anders sind. Vor meiner „Heimreise“ wurde ich aus unterschiedlichen Richtungen darauf hingewiesen, dass mir meine alte Heimat anders begegnen wird, als zuvor und das stimmt. Drei Punkte die mir besonders in meiner ersten Woche in Deutschland schwer fielen, war das „deutsche“ Miteinander, das Zeitgefühl und der Straßenverkehr.
Miteinander – Südafrika vs. Deutschland:
In Südafrika geht man in der Regel erstmal sehr freundlich auf seine Mitmenschen zu. Lernt man jemanden neues kennen, auf der Straße, im Supermarkt oder auf einer Party, so ist man freundlich, hilft einander und nimmt sich Zeit. Einmal stand ich an einem Automaten, um meine Grautrain-Karte (Zug, der von Johannesburg nach Pretoria fährt) aufzuladen. Ich war etwas überfordert, da mir das System nicht bekannt war und schaute mich etwas verwirrt um, da bat der nette Herr, der zuvor am Automaten neben mir zugange war, mir an zu helfen, weil er wahrnahm, dass ich etwas überfordert war. – Hätte er nicht tun müssen.
Mein erster richtiger Kontakt, bedeutet eine Konversation, zu einer mir fremden Person zurück in Deutschland, hatte ich mit einem Schaffner in der Bahn. Es war der Tag, nachdem ich in Deutschland gelandet war, ich war auf dem Weg zu meiner Aufnahmeprüfung in Salzburg. Als ich im Zug saß, kam der Schaffner und fragte nach meiner Fahrkarte. Ich hatte gefühlt tausend Zettel in meinem Umschlag und zeigte ihm wohl den falschen. Da wurde ich genervt darauf hingewiesen, ob ich ihm denn jetzt meinen Fahrschein zeigen könnte. Also suchte ich mich durch das Zettelgewirr und prompt schnaufte es neben mir. Also bat ich ihn freundlich mir zu helfen und erklärte ihm nett, dass es bei mir etwas her sei, dass ich das letze mal mit der Bahn in Deutschland unterwegs gewesen sei und jetzt ein wenig überfordert. Er nahm mir das Zettelgewirr aus der Hand und pfefferte ein Zettel nach dem anderen auf den Tisch vor mir bis er den Fahrschein fand. Etwas gereizt drückte er ihn mir in die Hand und zischte ab. Ich grinste und dachte amüsiert: „Willkommen in Deutschland, Lara!“. Es mag nicht der Traumjob des Schaffners sein und vielleicht hatte er einen anstrengenden Tag, doch muss ich sagen, dass ich im vergangen Jahr die Erfahrung gemacht habe, wie viel besser es einem doch tut, auf jeden Menschen in Ruhe, ohne Vorurteil und besonders freundlich zuzugehen. Das klappt bei mir auch nicht immer, aber wenn man freundlich zu anderen ist, dann hat das auch eine positive Ausstrahlung auf einen selber und ist das nicht schon Motivation genug? – Wer ist denn schon gerne schlecht gelaunt.
Der Schaffner war nicht der einzige bei dem mir das andere Miteinander zurück in Deutschland auffiel.
Zeitgefühl – Südafrika vs. Deutschland
Zur Unpünktlichkeit habe ich schon immer geneigt, auch wenn ich zeitig begonnen habe mich fertig zu machen, so bin ich zum Ende in Stress geraten und habe es vermutlich genau deswegen nicht mehr zeitig geschafft.
In Südafrika wird „Pünktlichkeit“ anders definiert. Wenn ich mich verabredet habe, dann war immer die Frage „deutsche Zeit“ oder „südafrikanische Zeit“? In Afrika gibt es ein Sprichwort, das sagt: „Die Europäer haben die Uhr, wir haben die Zeit.“ – und es stimmt. Verabredet man sich um drei Uhr in Südafrika, da fährt man frühestens um drei los. Ich finde es entspannt, denn so komme ich nicht in Stress und bin dazu immer pünktlich, denn unpünktlich sein kann man nur bei der Arbeit oder zum Feierabend, da sind die Südafrikaner nämlich „in time“.
Das viele Deutschen, wenn es heißt, man treffe sich um drei spätestens um fünf vor drei da sind, das wissen vermutlich die meisten von euch.
Straßenverkehr – Südafrika vs. Deutschland:
In Südafrika bin ich nicht oft selber gefahren, doch im Urlaub schon ein paar tausend Kilometer. Außerdem funktioniert auch der Fußverkehr den Seiten entsprechend, nicht immer, aber oft. Am Anfang hatte ich Orientierungsprobleme beim Fahren in Südafrika. Manches Mal bin ich auf der rechten Seite unterwegs gewesen und musste von meinem Beifahrer darauf hingewiesen werden oder nach einer Zeit fiel es mir selber auf.
Genauso ging es mir auch in Deutschland. Vorher habe ich immer gedacht, dass es, wenn ich erstmal mir bekannte Strecken fahre, kein Problem sein sollte, das war es aber. Ich musste darüber nachdenken, wie man rechts abbiegt, wie man links abbiegt. In Südafrika fährt man über die Kreuzung um rechts abzubiegen, hier um links abzubiegen. Ich habe neulich meinen Bruder von der Schule, meiner alten Schule abgeholt und als ich vom Parkplatz fuhr, da fuhr ich selbstverständlich auf die linke Seite und erschrak mich, als mein Bruder rief, dass ich auf der falschen Seite fuhr.
So gibt es auch noch ein paar andere Kleinigkeiten über die ich stolpere, so wie ich in Südafrika auch gestolpert bin.
Doch nur weil mein Freiwilligendienst nun offiziell zu Ende ist, heißt das nicht, dass ich jetzt hinter Südafrika einen Haken mache und das Thema für mich durch ist. Die vielen positiven und auch negativen Erfahrungen haben mich geprägt, ich habe viele wundervolle Dinge erleben dürfen, an die ich noch gerne zurückdenken werde. Mir bleiben all die Erfahrungen, Erlebnisse, Abenteuer und hoffentlich einige der Kontakte. Irgendwann wird mich eine Reise wieder nach Südafrika führen.
Als ich mich von den Kindern verabschiedete, da versprach ich ihnen, sie mit zu nehmen in meinen Erinnerungen und auch in meinem Herzen und sie könnten mich genauso da behalten, wie ich sie mitnehme. Ich denke, das hat ihnen genauso wie mir geholfen. Am Ende ist mir nochmal bewusst geworden, wie viel ich den Kindern bedeute. Ich hatte ein bisschen schlechtes Gewissen zurück in mein „europäisches Leben“ zugehen und ohne sie weiter zu machen. Manche der Kinder brauchen mehr Liebe als andere, das hat meist mit den familiären Begebenheiten zu tun. Wenn zu Hause niemand Zeit für sie hat, sie keine eigenen Eltern haben, die sie lieben, dann suchen sie die Zuwendung woanders. Mir ist nochmal bewusst geworden, dass ich solch eine Person für den ein oder anderen werden durfte, was mich sehr ehrte, doch wollte ich sie nicht mit meinem Gehen verletzten. Ich habe versucht es uns so leicht wie möglich zu machen. Dieses Thema ist ein Grund warum es Menschen gibt, die nicht viel von jungen Europäern halten, die einen Freiwilligendienst auf einem anderen Kontinent, fern von zu Hause machen. Mich hat das Thema auch oft beschäftigt. Es gingen mir Fragen durch den Kopf, ob es von mir fair sei „nur“ für ein Jahr in die Leben zu treten und dann wieder zu „verschwinden“, denn auch wenn ich jetzt noch Kontakt zu der Lehrerin habe, mit der ich gearbeitet habe und sie den Kindern von mir berichtet und sie mir von den Kindern, bin ich doch irgendwie verschwunden. Doch haben wir viel Spaß miteinander gehabt und einiges erlebt und so denke ich, wie ich schon geschrieben habe, dass wir uns in Erinnerung behalten, so lange das jeder einzelne möchte. Die Kinder haben mich ein Stück weit geprägt und so ich die Kinder vielleicht ein ganz kleines bisschen.
Dies wird vermutlich mein letzter Eintrag zu meinem Freiwilligendienst in Südafrika sein. Wenn ich mir Zeit genommen habe bzw. die Zeit hatte, um meinen Gedanken und Überlegungen freien Lauf zu lassen, habe ich viel Spaß daran gehabt euch zu berichten und euch teilhaben zu lassen. Ich hätte noch gerne über so viel mehr geschrieben, doch ist es dann meist wirklich an der Zeit gescheitert. Wenn mich jetzt jemand fragt, ob ich nicht irgendwas erzählen könne aus Südafrika, da fällt es mir noch schwer – immerhin war es ein ganzes Jahr von meinen fast 20 Lebensjahren. Nach und nach kommen die „Geschichten“, die Dinge wieder von denen ich erzählen kann, meist in irgendwelchen Gesprächen, da funkt es da oben plötzlich, wie das mit Erinnerungen halt so ist.
Es hat mich gefreut zu berichten und ein paar Gedanken freien Lauf zu lassen
und es hat mich gefreut euch als Leser zu haben, danke 🙂
Nun sitze ich gerade wieder im Zug nach Salzburg – ein neues Kapitel in meinem Leben beginnt. Ich habe den Aufnahmetest bestanden und werde ab kommender Woche Kommunikationswissenschaften an der Uni Salzburg studieren. Seit meiner Heimkunft ist doch schon wieder einiges passiert.
Liebe Grüße,
Lara
PS: Nun bin doch in Salzburg gelandet und die ersten Hürden sind überwunden. Obwohl hier deutsch gesprochen wird, fühlt es sich oft an wie eine Fremdsprache, so viele Dinge haben hier einfach einen anderen Namen – ein wenig anders als Zuhause im Ruhrgebiet. Vielleicht ein neues Abenteuer … – irgendwie.

Salzburg